April 1945. 80 Jahre Kriegsende.

Die Stadt Uelzen war lange von äußeren Kriegseinwirkungen unbehelligt geblieben. Im April 1945 änderte sich die Situation dramatisch. Der Aufbau einer Verteidigungslinie in der Region um Uelzen wurde angeordnet.

Die Stadt durfte aufgrund ihrer operativen Bedeutung nicht aufgegeben werden und wurde damit der Zerstörung preisgegeben. Der Nationalsozialismus, der die Welt mit unvorstellbarer Menschenverachtung, Brutalität und Vernichtung überzogen hatte, richtete sich als Konsequenz des totalen Krieges gegen die eigene Bevölkerung. Foto (Stadtarchiv): l. UEL S 803 Nr. 1354, Rathaus um 1935.

Bilder einer zerstörten Stadt

 

Die interaktive Karte „Kriegsende 1945“ bietet einen digitalen Rundgang durch Uelzen und macht Orte sichtbar, an denen die letzten Kriegstage im April 1945 Spuren hinterlassen haben. Jeder Punkt auf der Karte ist mit detaillierten Informationen versehen, die das historische Geschehen an diesen Standorten erläutern. Diese digitale Aufbereitung ermöglicht es, das Ende des Zweiten Weltkriegs in Uelzen nachzuvollziehen und die Folgen für die Stadt und ihre Bewohner zu verstehen.

 

Krieg erreicht die Stadt

Bereits in den beiden letzten Kriegsjahren hatten sich die Luftangriffe auf die Stadt verschärft. Vor allem der Uelzener Bahnhof als wichtiger Verkehrsknotenpunkt wurde zur Zielscheibe der alliierten Gegner.

Der schwerste Luftangriff auf den Bahnhof erfolgte am 22. Februar 1945. Foto (Stadtarchiv): r. UEL S 803 Nr. 1114, Luftangriff Februar 1945.

Foto (Stadtarchiv): UEL S 803 Nr. 1829, Friedhof Uelzen 1945.Dieser Angriff kostete 149 Menschen das Leben - unter ihnen auch Zwangsarbeiter verschiedener Nationalitäten. Das Verhalten der Bevölkerung änderte sich schlagartig. Zuvor wurden die Warnmeldungen nicht sehr ernst genommen.

Nun waren die Menschen sehr verängstigt und versuchten bereits bei Kleinalarm, die Stadt zu verlassen und sich auf dem Land in Sicherheit zu bringen - in der Stadt gab es nicht genug bombensichere Bunker und Luftschutzräume. Foto (Stadtarchiv): l. UEL S 803 Nr. 1829, Friedhof Uelzen 1945.

 

Die letzten Kriegstage

Ein weiterer schwerer Angriff am 7. April verursachte große Schäden an der örtlichen Infrastruktur.

Für die Aufräumarbeiten am Bahnhof wurden auch Häftlinge aus dem KZ Neuengamme eingesetzt, die auf dem Werksgelände der Zuckerfabrik untergebracht waren. Foto (Stadtarchiv): r. UEL S 803 Nr. 872, Bahnhofstraße.

Der letzte Flugangriff erfolgte am 13. April. Anfang April 1945 hatten alliierten Truppen bereits Hannover und Celle kampflos eingenommen.

Im Anschluss stießen Einheiten der 15. Schottischen Division von Celle aus in Richtung Uelzen vor und hofften auf eine schnelle Einnahme der Stadt. Foto (Stadtarchiv): l. UEL S 803 Nr. 864, Ernststraße.

Die deutsche militärische Führung hatte unterdessen befohlen, dass die Stadt als „fester Platz“ zu halten sei. Zur Verteidigung trafen als „letztes Aufgebot” Einheiten der neu zusammengesetzten Panzerdivision „Clausewitz“” in Uelzen ein und bezogen östlich des Bahnhofs Stellung.

Zudem wurden zwischen Veerßen, Hambrock und Groß Liedern Verteidigungsposten aufgebaut. Die Bevölkerung lebte in diesen Tagen fast nur noch in den Kellern. Foto (Stadtarchiv): r. UEL S 803 Nr. 880, Uelzener Innenstadt April 1945.

In der Nacht vom 14. auf den 15. April stießen schottische Einheiten bei Veerßen auf heftigen Widerstand. Um Mitternacht hatten sie den Süden des Dorfes eingenommen. Der ganze Ort wurde aber erst Tage später mit Uelzen zusammen erobert.

Ein Teil der Schottischen Divison wich nach Osten aus. In Stadensen und Nettelkamp kam es am 15. April zu einer Schlacht zwischen deutschen und gegnerischen Truppen. Viele Zivilisten und Soldaten verloren dabei ihr Leben. Foto (Stadtarchiv): l. UEL S 803 Nr. 879.

Am Vormittag des 16. April griffen Tiefflieger Uelzen mit Leuchtspurmunition an. Mehrere Häuser der Innenstadt fingen Feuer. Um 10.45 Uhr traf ein Geschoss den Turmhelm der St.-Marien-Kirche und setzte diesen in Brand.

Auch die Propstei und das Museum standen in Flammen. Gleich danach setzte ein „wahrer Hexensabbat” ein: Das Feuer griff auf viele Gebäude der Innenstadt über. Erst in den Abendstunden gelang es mit Hilfe umliegender Feuerwehren, den Brand unter Kontrolle zu bringen. Foto (Stadtarchiv): r. UEL S 803 Nr. 877.

In der Nacht zum 17. April verstärkten die alliierten Truppen ihren Angriff. Viele der kurz zuvor gelöschten Brände flammten erneut auf. Die Alllierten rückten über die Esterholzer und Hambrocker Straße vor, wagten sich aber noch nicht über die Gudestorbrücke in das Stadtzentrum.

Zwischen 10 und 14 Uhr wurde der Angriff vorübergehend eingestellt. Hans Altner, ein Bürger aus dem besetzten Teil Veerßens, wurde nach Uelzen geschickt, um die Forderung nach kampfloser Übergabe der Stadt zu überbringen. Altner wurde als Landesverräter verhaftet und im Clubhaus (Lüneburger Straße 38) festgesetzt. Foto (Stadtarchiv): l. UEL S 803 Nr. 895, Gudestraße 1945/46.

Vertreter der Kampfkommandantur und NSDAP-Kreisleiter Heinrich Schneider hielten weiter mit Drohungen und Gewalt gegen Zivilisten und Soldaten an der Verteidigung der Stadt fest.

Am Vormittag des 17. April wurde Hauptmann Erich Marquardt im Garten des Clubhauses als Vaterlandsverräter erschossen. Zivilisten hatten ihn denunziert.

Der Offizier war zur Berichterstattung bei der Führungsstelle eingetroffen und während der Wartezeit im Bunker vor Erschöpfung eingeschlafen.

Nach einer späteren Zeugenaussage hatte sich Marquardt in den Tagen zuvor für eine Kapitulation der Stadt ausgesprochen, um sinnlose Opfer zu verhindern. Foto (Stadtarchiv): r. UEL S 803 Nr. 150, Hauptmann Erich Marquardt.

 

Kapitulation und Zerstörung

Am Abend des 17. April hatten feindliche Truppen Uelzen eingeschlossen. Brandmeister Adolf Pevestorf beobachtete am 18. April um 11 Uhr vormittags die ersten britischen Soldaten in der Bahnhofstraße.

Wenig später stellte er fest, dass die St.-Marien-Kirche erneut brannte. Mit Hilfe der Schülerinnen Erika Meyer und Irmgard Wolter, die er im Keller der Ratsweinhandlung antraf, konnte er eine Ausbreitung des Feuers verhindern. Foto (Stadtarchiv): l. UEL S 803 Nr. 908.

Kurz darauf nahmen die Alliierten Adolf Pevestorf, den Bürgermeister und weitere Beamte fest. Gegen 14 Uhr wurden Häuser der Veerßer Straße und Mühlenstraße mit Flammenwerfern in Brand gesetzt.

Verbliebene Feuerwehrleute kämpften gemeinsam mit Bürgerinnen gegen die Ausweitung des Feuers. Am Nachmittag besetzten britische Truppen den Norden der Stadt - teils gegen letzten Widerstand.

Damit war der Zweite Weltkrieg in Uelzen beendet. Kreisleiter Heinrich Schneider hatte sich bereits am Vorabend aus Uelzen abgesetzt. Foto (Stadtarchiv): r. UEL S 803 Nr. 881, Feuerwehrmann Siems bei Löscharbeiten April 1945.

Infolge der Kämpfe wurden in Uelzen 1.382 Gebäude beschädigt. Dabei wurden viele Büros und Geschäfte mit großen Lagerbeständen zerstört. Foto (Stadtarchiv): l. Schadenskarte Altstadt Uelzen, Stadtarchiv.

Quellen und Literatur

 

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